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Tagebuch
von Gusti Rosa

Cristina, Luci und das Fotoalbum

Freitag, 13.05.2005
Abflug aus Basel in Richtung München
Ankunft in München
Zusammentreffen mit Otto. Mittagessen.
Zusammentreffen mit Gabi.
Abflug aus München in Richtung Bukarest. Es gelingt uns, Plätze zu tauschen und nebeneinander zu sitzen.
Ankunft in Bukarest.
Luci holt uns ab.
Fahrt zum Hotel
Sofitel: Otto steigt aus.
Fahrt zum Hotel IBIS. Gabi steigt aus
Fahrt zu Fam. Hamangiu.
Annemarie und Gabi rufen an: Sie treffen sich am Abend „la Ateneu“.
Cristina kommt „de la frizer“.
Wir erzählen bis spät in die Nacht und versäumen „intalnirea de la Ateneu“..
Samstag, 14.05.2005
Ausschlafen.
Luci zeigt mir die Umgebung. Wir tauschen Geld, und ich bin zum ersten Mal in meinem Leben Millionär! Wir schauen in Lucis Büro vorbei.
Mittagessen zuhause, duschen und ab zum ersten Termin.
Wir fahren bis in die Piata Romana und lassen das Auto neben der neuen Schule. Zu Fuß gehen wir zum Treffpunkt: Unsere alte Schule in der ehemaligen strada Nuferilor.
Wir sind nicht die ersten. Nach und nach treffen alle ein. Im ehemaligen Schulhof, der sich etwas verändert hat, findet das Begrüßen kein Ende. Immer wieder tauchen neue Gesichter auf. Umarmungen, Küsschen, man erkennt sich wieder.
Als wir dann das Schulgebäude betreten, erscheint es mir so, als wäre erst gestern der letzte Schultag gewesen. Vorbei an der „Hühnertreppe“, links neben dem Flur der mini Innenhof, wo ich früher mein Fahrrad abstellte. Dann die Pausenhalle, mit den so vertrauten Türen, die einst ins Sekretariat, in den Lehrereingang und in die Klassenräume führten. Die breite Treppe zum ersten Stock. Am Holzgeländer sind jetzt „Metallhubbel“ angebracht. Früher rutschen wir am Bauch von oben nach unten...
Der Versuch eines Gruppenfotos auf der Treppe misslingt. Es ist unmöglich, alle zusammen zu halten.
Wir betreten die alten Klassenzimmer. Der Boden mit den eingeölten groben Dielen ist immer noch der alte; sogar die Tafel ist unverändert. Es fehlen die Schulbänke, das Podium und das Katheder. Keine Gelegenheit mehr „bambilici“ zu spielen.
Dann wieder hinaus. Über den Hof, vorbei am ehemaligen Kiosk und am Laboratorium zum hinteren Gebäude. Der ehemalige Turnsaal ist durch eine Zwischenwand in zwei Einzelräume getrennt worden. Der Weg in den Keller, zu den Ex-Umkleidekabinen ist beschwerlich. Die morschen Holzstufen knarren bedenklich. Es riecht nach Moder.
Der früher verschlossene Ausgang zum Hinterhof ist jetzt offen. Die Türen drohen jeden Augenblick aus den rostigen Angeln zu fallen. Die Mauer, über die wir oft geklettert sind, um uns einen Eintrag ins Klassenbuch wegen „zu spät kommen“, oder „fara matricola“ zu ersparen, ist auch noch da.
Elf Jahre lang ( von 1959 bis 1970) sind wir hier Tag für Tag zur Schule gegangen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals Maurer oder Maler beim Renovieren erlebt zu haben. So, wie die alte Schule heute aussieht, ist auch nach dem Umzug nichts gemacht worden.
Auch der zweite Versuch eines Gruppenfotos auf der Treppe vor dem Lehrereingang scheitert. Zu viele haben sich zu viel zu sagen, und dann will jeder, der eine Kamera dabei hat, auch selbst ein Foto schießen.
Mit ziemlicher Verspätung machen wir uns auf, um den zweiten Höhepunkt des heutigen Tages zu erleben. In der neuen Schule ist alles für eine außergewöhnliche Schulstunde vorbereitet. Nach kurzer Trennung (einige gehen zu Fuß, andere fahren mit dem Auto) versammeln sich alle auf dem Schulhof der jetzigen deutschen Schule, dem Goethe-Kolleg. Erst einmal wird eine runde kaltes Trinkwasser ausgeschenkt. Inzwischen ist es in Bukarest sommerlich warm geworden, und das viele Reden sorgt auch für trockene Kehlen.
Frisch gestärkt sitzen wir endlich alle in einem Klassenraum. Dana Vasiliu (sie hatte uns in Erdkunde unterrichtet) sitzt am Katheder und liest alle Namen aus den Originalkatalogen der ersten Klasse vor. Schön der Reihe nach wird jeder Schüler der Klassen 1A, 1B, 1C und 1D mit Namen aufgerufen. Die Anwesenden stellen sich kurz vor. Für diejenigen, die nicht dabei sein können, erzählen Freunde etwas über ihren Werdegang.
Wir erfahren alles über Beruf, Familie, Wohnsitz und Haustiere unserer Mitschüler. Gestört wird diese Klassenstunde von vorlauten Zwischenrufen und schwatzenden BanknachbarInnen. Nur mit Mühe kann die Runde beendet werden. Still wird es nur, als Walter Dick aufgerufen wird. Betroffen wird des ersten Verstorbenen unseres Jahrgangs gedacht. In einer spontanen Spendenaktion war zur Jahreswende 2002/2003 eine bescheidene Summe gesammelt worden. Christi Geiser hatte dann das Geld einem Tierheim überwiesen – dies war der letzte Wunsch von Walter gewesen. Die Beisetzung erfolgte in aller Stille am 21.01.2003 auf dem Friedhof "Wöhrd" in Nürnberg.
Endlich fand auch die im Jahre 2000 eingerichtete Homepage der Deutschen Schule Bukarest die gebührende Beachtung. Im Nachhinein bereute ich, nicht deutlicher darauf hingewiesen zu haben, dass es sich hier nicht um eine private Seite handelt. Hiermit nachträglich ein weiterer Appell an alle, die mit der Deutschen Schule Bukarest verbunden sind: Scheut euch nicht, eigene Beiträge in Bild und/oder Schriftform einzureichen. Die Seite lebt davon. Je vielseitiger die Berichte, desto erfolgreicher wird die Geschichte unserer Schule in der ganzen Welt verbreitet werden können.
Apropos Geschichte: Der legendäre Eintrag in das Klassenbuch der 9. oder 10. Klasse „Rosa stinkt“ wurde von Andrei aufgegriffen. Ich ergänzte die Einzelheiten. Die berühmte Seite befindet sich im Besitz von Mihai Tatomir (ausgerissen am letzten Schultag).
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich unser Jahrgang 35 Jahre nach Schulabschluss sehen lassen kann. Der überwiegende Teil hat studiert, der Rest einen guten Beruf erlernt. Aus unseren Reihen sind Minister, Botschafter, ein Casinodirektor in Las Vegas, Klinikbetreiber, Fabrikanten, Rechtsanwälte, Ärzte, Ingenieure und Architekten, Künstler und Lebenskünstler und sogar ein „tata erou“ hervorgegangen. 
Gegen 17:30 Uhr verließen wir die Schule. Luci und ich machten uns auf den Heimweg. Duschen, Umziehen und schon ging es weiter.
Bei Mc. Moni’s fand dann die eigentliche Feier statt. Die vorzügliche Organisation fand ihre Krönung in dem gelungenen Abend. Bei auserlesenen Speisen und Getränken ließen wir es uns bis spät in die Nacht gut gehen. Das Menü und die Unterschriften auf der Rückseite können auf den eingescannten Graphiken eingesehen werden.
Inzwischen war auch unser ehemaliger Sportlehrer, Herr Erwin Wilk, mit Gattin eingetroffen. Frau Negoiescu musste wegen eines Krankheitsfalls in der Familie kurzfristig absagen.
Marian Lazurca hielt im Namen des Organisationskomitees eine kurze Ansprache. Anschließend bedankte sich Herr Wilk für die Einladung. Er erläuterte kurz, dass er inzwischen bei einigen Schülertreffen dabei sein durfte. Er selbst hatte auch schon ein Lehrertreffen organisiert. Er hob die Bedeutung solcher Jubiläen hervor und bewunderte, dass es gelungen war, so viele unseres Jahrgangs zusammen zu kriegen.
Herr Wilk ließ an alle Anwesenden die Ehrennadel des deutschen Fechterverbandes (dessen Vorsitzender er ist) verteilen. Den Organisatoren verlieh er die Ehrenmedaille in Silber.
Gegen 1:30 verließen wir das Lokal. Der harte Kern soll noch bis gegen 3:30 gefeiert haben.

Die Pausenhalle

Der Hinterhof

Citirea catalogului

Menü

Unterschriften

Ehrennadel und Medaille

 

Sonntag, 15.05.2005
Ausschlafen.
Eine Tasse Kaffee zum Wachwerden. Dann schon mit Verspätung auf ins Crowne Plaza, wo die meisten schon beim ausgiebigen Brunch waren. Auch jetzt wiederum ein gelungener Abschluss, ein leiser Ausklang der Feierlichkeiten. Letzte Gespräche, Gedankenaustausch. Versprechungen: „Ich melde mich bald.“, „Wir müssen uns öfter sehen.“
Marian lud mich zu einer kleinen Stadtrundfahrt ein. Er zeigte mir, wie sich Bukarest in den letzten Jahrzehnte verändert hat. Wir schauten auch kurz in seinem Büro vorbei, wo ich meine E-Mails abholen konnte.
Am Abend dann Essen bei Familie Lazurca. Ganz nebenbei das Fußballderby im Fernsehen Dinamo – Rapid. Es ging 2:2 aus. Marian trank nur Wasser. Es war nach Mitternacht, als er mich nach Pantelimon zu Luci fuhr.
Dort noch Gespräche bis in die Nacht. Es ging um Grundstücke, Kataster- und Grundbuchsachen. Ich stellte fest, dass hier alles anders als in Deutschland abläuft.
Montag, 16.05.2005 
Ausschlafen.
Einkaufen mit Luci. „Icre de stiuca“ zum mitnehmen, „o savarina si o amandina“ für später. Ein Kurztrip zum Friedhof. Ich konnte das Grab meines Großvaters nicht finden. Wir klingelten bei der Verwaltung. In alten Archiven fanden wir den Eintrag der Beerdigung und natürlich die Grabnummer. Der Verwalter führte uns persönlich zum Grab. Es sah etwas verwildert aus, war aber unversehrt.
Dann hatte ich Lust auf „mici cu bere“. Als kleiner Junge nahm mich meine Großmutter Sonntags mit auf den Friedhof. Anschließend gingen wir zusammen mit Frau Steinitz, einer Freundin von Oma, in ein Gasthaus. Die Damen tranken „o halba“ und ich „un tap“. Mititei gab es auch manchmal. Diese Tradition musste gewahrt bleiben.
Also fuhren wir in den Cismigiu. Auf den Bänken schmusten die verliebten Pärchen, die Ruderboote waren auch noch da. „La debarcader“ fanden wir „mici si bere“. Wir trafen Serban mit Gattin. So klein ist die Welt.
Anschließend wurde ich Zeuge von Grundstücksgeschäften. Ein Maklerbüro im 4. Stock und hier die Käufer mit Anhang. Der Notar im 2. Stock. Dort der Verkäufer mit Gefolge. Ein Tisch voller Geld, viel Unruhe wegen einigen Ungereimtheiten. Sehr viel Tabakqualm, zähe Verhandlungen. Auf dem Weg vom 4. in den 2. Stock verschwinden aus dem Koffer, in dem das ganze Geld verstaut war, 1000 €. Das Geschäft platzt, aber das kriege ich erst später mit. Die 1000 € werden am nächsten Tag wieder auftauchen, der Kauf an anderer Stelle reibungslos über die Bühne gehen.
Ich bin inzwischen mit dem Taxi unterwegs zu Gelu. Der Taxifahrer fährt seelenruhig eine Einbahnstraße in Gegenrichtung entlang und liefert mich vor der Haustüre ab. Hier wird gegrillt, was das Zeug hält. Otto, Carmen und Christian sind auch schon da. Später kommt noch Andrei mit Begleitung und Diana, die Dame des Hauses.
Wieder ein opulentes Mal, mit „savarine“ zum Dessert. Wieder ist es weit nach Mitternacht, als mich Carmen und Christian heim fahren. Luci schläft schon. Mit Radu, ihrem Mann, erzählen wir noch eine Weile.

 

Piata Amzei

Dienstag, 17.05.2005 
Heute ist nichts mit Ausschlafen. Früh raus – Luci hat Termine. Abschied von Radu. Der Schwiegersohn in
und t mich bei Carmens Verwandten ab. Abschied auf die Schnelle – der Alltag holt uns ein.
Noch ein kurzer Einkaufsbummel „in Piata Amzei“. Ich bin überrascht über das riesige Angebot. Zum mitnehmen kaufe ich „un burduf in coaja de brad“ und „un cascaval afumat“.
Mit einer Viertelstunde Verspätung holen wir Otto vor seinem Hotel ab. Wir fahren nach Snagov. Unterwegs die Erinnerungen, wie das so war, vor fast 40 Jahren, als die Straße noch zweispurig war und dichte Bäume uns Fahrradfahrern Schatten spendeten.
In Snagov eine angenehme Überraschung: Der „Complex“ ist inzwischen renoviert worden. Nur der „debarcader“ sieht sehr mitgenommen aus. Der See verträumt wie in guten, alten Zeiten. Der Schilfgürtel ist noch da. Aber wo früher Seerosen blühten, schaukeln jetzt leere Plastikflaschen auf den Wellen.
Wir machen einen Rundgang, finden auch die Stelle wieder, wo wir in unserer Jugend unsere Zelte aufgeschlagen hatten. An diesem Ort hatten Christian und ich Carmen und Doina kennen gelernt. Carmen und Christian sind zusammen geblieben. Doina lebt heute glücklich verheiratet in Kanada. Wir haben immer noch Kontakt zueinander.
Eine Stunde auf der Wiese in der Sonne liegen – dann geht es weiter. Da wir keine brauchbare Gaststätte finden, fahren wir nach Baneasa und essen „la cocosatu“ „mici cu bere“ und „papanasi cu smantana si dulceata“. Dann führen uns Carmen und Christian zum Flughafen und verabschieden sich.
Der Rückflug verläuft kurz und schmerzlos. In München ist meine Anschlussmaschine nach Basel schon aufgerufen. Ich verabschiede mich hastig von Otto.
Pünktlich um 20:40 lande ich in Basel. Irmgard holt mich ab. Um 21:30 liege ich in der Badewanne und erzähle von den wunderbaren Erlebnissen. Dieses Klassentreffen werde ich ewig in Erinnerung behalten und mit mir – davon bin ich überzeugt – auch alle anderen, die dabei gewesen sind.
Unser nächstes großes Wiedersehen soll 2008 stattfinden. Dana hat nach Riga eingeladen, zur Feier „50 Jahre seit Schulbeginn“. Ich freue mich schon jetzt darauf!
Zum Abschluss ein Zitat von Ursula, das mich heute per E-Mail erreicht hat: „Es war schoen 2 Tage jung zu sein.

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